Antragsteller*innen: Nicolas Beck
Antrag: Die Vollversammlung der Studierendenschaft spricht sich dafür aus, dass die Universität ein Konzept für eine innovative Außenstelle in einer ausgewählten strukturschwachen Region in Mecklenburg-Vorpommern erarbeiten soll, das Lehre, Forschung und Praxis miteinander verbindet. Das Vorhaben hat drei zentrale Säulen:
1. Ein integriertes Gesundheitszentrum: Dieses Zentrum dient nicht nur der patientennahen Versorgung der Region, sondern wird von Anfang an als Lehr- und Lernort für Studierende konzipiert. So wird Theorie und Praxis unmittelbar verknüpft. Angelehnt an das Konzept der Gesundheitszentren in Finnland, können ausgebildete Fachkräfte bestimmte Funktionen von Ärzt:innen übernehmen und Kliniken entlasten.
2. Ein praxisorientiertes Studienmodell: Die Außenstelle soll, angelehnt an den Modellstudiengang Medizin in Chemnitz, welcher von der Technischen Universität Dresden organisiert wird, als interdisziplinärer und praxisnaher Studienort für qualifizierte Gesundheits- und Sozialberufe dienen. So in etwa der Pflegewissenschaft, Medizin, Zahnmedizin, Klinischen Psychologie, Humanbiologie, Soziale Arbeit und weitere. Für diese Studiengänge sollen angepasste Auswahlverfahren zur Gewinnung von Nachwuchs mit echter Land-Perspektive gelten.
3. Der Kampf gegen den Ärztemangel und für regionale Entwicklung: Durch diese Außenstelle leisten wir einen konkreten Beitrag zur Zukunftssicherung einer gesamten Region. Wir bilden Gesundheitsfachkräfte dort aus, wo sie später dringend gebraucht werden, und schaffen hochwertige Arbeitsplätze.
Begründung des Antrags: Der demografische Wandel und der regionale Strukturwandel führen zu einer dramatischen Unterversorgung an medizinischen Leistungen, die wir nicht länger hinnehmen dürfen. So wächst der Bedarf an Gesundheits- und Pflegeleistungen, der durch Fehlallokation kaum oder nur mit schlechter Qualität gedeckt werden kann Das Gesundheitspersonal kommt an seine Grenzen, was zu Kündigungen führt und die Situation weiter verschärft. Die Disparität zwischen Stadt und Land führt dazu, dass zahlreiche Regionen in Deutschland unterversorgt sind.
Marktgesteuerte Prozesse bewirken zudem, dass sich die Preise jener Leistungen erhöhten. Es liegt in der Natur der Sache, dass Dienstleistungen im Vergleich zu industrieller Arbeit unproduktiv sind. Die Produktionszeit einer Dienstleistung entspricht der Zeit, in der diese verkonsumiert wird. Pro Zeiteinheit können dagegen viele Industriegüter produziert und konsumiert werden. Die Nachfrage nach Industriegütern in Relation zum Aufwand wird für Industriegüter demnach immer höher sein als für Dienstleistungen. Wenn dagegen die Beschäftigung im Dienstleistungssektor, z.B. im Gesundheitssektor steigt, was der Fall ist, führt dies zu einer Inflation der Industriegüterpreise. Der Sektor der Gesundheitsdienstleistungen wird daher nur unter oligopolistischen Bedingungen lukrativ sein, oder wenn die Qualifikation der Gesundheitsberufe niedrig ist. Im Marktgleichgewicht liegt also künstliche Verknappung der gesundheitlichen Versorgung vor. Marktprozesse können den wachsenden Bedarf an Gesundheitsdienstleistungen nicht decken.
Zusätzlich deuten alle Zeichen daraufhin, dass das Gesundheitswesen und die Biotechnologie zu den neuen Leitsektoren der Gesellschaft avancieren werden, was den Bedarf nach einem interdisziplinären und forschungsorientierten Gesundheitswesen erhöht.
Es ist ein allgemeiner Prozess der industriellen Entwicklung, dass der beschleunigte technologische Fortschritt zu einer verkürzten Umschlagszeit von fixen Kapitalanlagen führt. Für private Unternehmen besteht eine verschärfte Gefahr, dass sich investierte Anlagen schnell entwerten. Die Entwicklung hin zu qualifizierten Facharbeitskräften, die durch Planung, Forschung, Management für eine risikofreie Wirtschaftsprogrammierung sorgen sollen, steht im Widerspruch zur marktwirtschaftlichen Tendenz, Arbeitskosten zu senken. Die Entfaltung des Geistes und der Wissenschaft steht daher im Konflikt mit der Kommerzialisierung. Nichtsdestotrotz führt die wachsende Zahl an qualifizierten Facharbeitskräften zum Wunsch nach „flachen Hierarchien“ in Betrieben. Die zunehmende Akademisierung erhöht damit das Potential zu einer umfassenden Demokratisierung des Wirtschafts- und Arbeitslebens. Aus arbeitsdemokratischer Sicht ist daher auch die Akademisierung der Pflege und anderer Berufe zu befürworten. Die Universität als öffentlicher Träger kann diesen Demokratisierungsprozess anstoßen oder beschleunigen.
Schließlich spielt die Universität eine immer wichtiger werdende Rolle für die regionale Entwicklung. Es sind gerade Studienorte, die als Pull-Faktoren für junge Menschen gelten. Um daher die Disparität zwischen Großstädten und Kleinstädten oder Dörfern nicht eskalieren zu lassen, kann der Aufbau von Hochschulstandorten in strukturschwachen Regionen diesem Prozess entgegenwirken.
Es geht also nicht einfach nur um einen neuen Studienstandort, sondern um ein zukunftsweisendes Projekt, das soziale Verantwortung mit innovativer Lehre verbindet und unsere Universität zu einem Pionier in der Lösung eines gesellschaftlichen Problems macht.